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Die Themen Freiheit und Nähe, Bindung und Unabhängigkeit sind immer wieder heiße Eisen in der Paartherapie. Ein objektives „zu viel“ oder „zu wenig“ vom einen oder vom anderen gibt es dabei nicht. Aber wie findet man das richtige Gleichgewicht zwischen Gemeinsamkeit und Eigenständigkeit? Und wie kann man eine ungute Dynamik in der Beziehung aufbrechen?

Als Menschen haben wir alle zwei essentielle Bedürfnisse in uns: Das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit auf der einen Seite und das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstverwirklichung auf der anderen.

Schon bei kleinen Kindern werden diese beiden Aspekte sehr deutlich: Während einerseits die körperliche Nähe, das Umsorgtwerden und die Sicherheit durch den Kontakt mit den Eltern sehr wichtig sind, gibt es andererseits das Bestreben, die Welt zu entdecken und Dinge (schon) ganz alleine zu machen.

Die Pole Autonomie und Bindung werden ständig neu austariert

Immer wieder müssen wir diese beiden Pole in uns austarieren: Wenn man eine Zeit lang die Betonung sehr auf den einen Pol legt, will auch bald der andere Pol wieder mehr Beachtung haben.

Im Verlauf einer Beziehung wird z.B. häufig am Anfang der Wert auf Nähe und Bindung gelegt: Man verbringt so viel Zeit wie möglich miteinander, will am liebsten Tag und Nacht zusammen sein, teilt intime Dinge aus dem eigenen Leben und baut die Sicherheit miteinander auf, füreinander da zu sein.

Nach einer Weile wird das aber zu viel und jeder Partner und jede Partnerin geht wieder mehr die eigenen Wege, trifft die vernachlässigten Freunde und will auch mal wieder Zeit für sich haben.

Autonomietypen und Bindungstypen

Nun ist es allerdings so, dass Menschen je nach ihren Erfahrungen und Prägungen einen der beiden Pole eher betonen:

Autonomietypen legen sehr viel Wert auf Eigenständigkeit, möchten sich ihre Freiheit bewahren und sich nicht einschränken lassen. Solche Menschen werden eher Bindungsangst erleben und z.B. am Anfang einer Beziehung vorsichtig sein und sich nicht so leicht in die oben beschriebene Nähephase stürzen.

Bindungstypen konzentrieren sich eher auf das Bedürfnis nach Bindung. Solchen Personen ist die Zugehörigkeit sehr wichtig, das Bedürfnis nach Nähe und Zusammenhalt. Diese Menschen bekommen in einer Beziehung eher Verlustangst, sie befürchten, den anderen zu verlieren, wenn sie ihm nicht dauerhaft nahe sein können.

Und natürlich können wir uns in Beziehungen nicht dauerhaft nahe sein. Genauso wenig, wie wir immer nur eigenständig sein könnten. Denn wie gesagt, wir alle, egal wie wir geprägt sind, haben ja beide Bedürfnisse in uns.

Eine sich selbst verstärkende Beziehungsdynamik

Und genau hier kommt eine Beziehungsdynamik ins Spiel, die oft als anstrengend erlebt wird.: Meistens treffen sich zwei Menschen mit einer unterschiedlichen bzw. gegensätzlichen Betonung der beiden Pole. Das heißt, eine bindungsorientierte Person trifft auf eine autonomieorientierte Person.

Häufig entwickelt sich daraus eine Dynamik, die die beiden Stile noch weiter verstärken kann, selbst wenn man anfangs vielleicht gar nicht so weit auseinanderlag: Wenn die autonomieorientierte Partnerin oder der Partner z.B. meistens das Eigene betont und sich nicht abhängig machen will, wird die Angst bei dem bindungsorientierten Partner oder der Partnerin größer, ob die Zugehörigkeit überhaupt Bestand hat und der andere die Nähe wirklich will. Das führt oft zu mehr Versuchen, Nähe einzufordern, wodurch Autonomie-Menschen sich wiederumg eingeengt fühlen und Fluchttendenzen entwickeln. So kann ein Teufelskreis von Verfolgung und Flucht entstehen.

Was kann man tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen?

Wenn man eine solche Dynamik bemerkt und sich ihrer bewusst wird, ist das schon die halbe Miete, um sie aufzulösen!

Denn dann kann jede Partnerin oder jeder Partner erkennen, dass er einen Teil von sich selbst geradezu „ausgelagert“ hat auf den anderen. Das heißt, dass das ureigene Bedürfnis nach Nähe oder nach Freiraum sich (vermeintlich) auf den anderen verschoben hat und man sich daran regelrecht abarbeitet.

Dabei gehören beide Bedürfnisse eigentlich zu einem selbst. Schon allein diese Erkenntnis kann die Dynamik verändern. Dann kann man nämlich beginnen, den „verlorenen“ Anteil in sich selbst wieder aufzuspüren und zu integrieren.

Wenn du bisher eher die Nähe mit dem anderen gesucht hast und schwerer Distanz aushalten kannst, kannst du über folgende Fragen reflektieren:

  • Welche Ereignisse in deiner Biografie haben dich dazu bewogen, eher zu glauben, dass der andere dich verlassen könnte?
  • Wann erlebst du Glück und innere Zufriedenheit ohne deinen Partner oder deine Partnerin?
  • Was möchtest DU eigentlich gern allein und nur mit dir selbst machen? Tu das!
  • Kannst du sehen, woher die Tendenz zur Bindungsangst bei der anderen Person kommt und bemerken, dass sie vielleicht gar nichts mit dir persönlich zu tun hat, wenn sie das nächste Mal auftaucht?

Wenn du eher bisher eher deine Freiheit betonst und dich leicht eingeengt fühlst in Beziehungen, kannst du dir folgendes näher anschauen:

  • Welche Ereignisse in deiner Biografie haben dich dazu bewogen, zu glauben, dass deine Autonomie bedroht ist, wenn jemand anderes nah an dich herankommt?
  • In welchen Momenten erlebst du Glück und Zufriedenheit gerade in der Nähe zu deiner Partnerin oder deinem Partner?
  • Wo könntest du einen Schritt auf den anderen zugehen und ihm oder ihr etwas Gemeinsames „anbieten“?
  • Kannst du sehen, woher die Tendenz zu Verlustangst bei der anderen Person kommt und bemerken, dass sie vielleicht gar nichts mit dir persönlich zu tun hat, wenn sie das nächste Mal auftaucht?

Das sind erste Schritte, mit denen du eine eingefahrene Dynamik aufbrechen kannst. Oft stecken tiefere Überzeugungen und teils unbewusste Ängste dahinter – dann kann es guttun, sich diesen Themen in einer gemeinsamen Paartherapie oder auch alleine zu widmen.

Ihr wuenscht euch Unterstuetzung bei diesem oder anderen Themen

Du möchtest tiefer in das Thema einsteigen?

Höre hier, was wir in der Amoristik-Folge „Was verhindert echte Nähe in Beziehungen“ dazu zu sagen haben:

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