Oft ist es etwas, was Paare sich lange wünschen: Gemeinsame Kinder. Was als Krönung der Liebe gilt, stellt sich in der Realität aber häufig – auch – als große Herausforderung dar: Wie kann man neben der Umsorgung eines Babys oder kleiner Kinder, trotz schlafloser Nächte und der Notwendigkeit, für eine junge Familie das Geld nach Hause zu bringen, als Paar gut verbunden bleiben?
Schon mit der Schwangerschaft fängt es an, dass große Veränderungen geschehen. Bei der werdenden Mutter nicht nur rein körperlich, sondern auch hormonell und seelisch. Ganz zu schweigen von der Geburt, die für viele Frauen nicht so traumhaft verläuft, wie sie es sich erhofft hatten. Und oft auch das Paar gemeinsam ganz schön fordert.
Und dann nimmt eine häufig anzutreffende Dynamik seinen Lauf: Ist das Kind erstmal da, bleibt kaum Zeit, diesen ganzen Prozess zu verarbeiten, denn dann steht das neue kleine Wesen im Vordergrund, welches versorgt werden will und nachts die Eltern wenig schlafen lässt. Meist entfällt es auf einen der Partner, arbeiten zu gehen und Geld zu verdienen und der fühlt sich oft gerade jetzt besonders unter Druck, wo es gilt, alle Familienmitglieder finanziell zu versorgen.
Wenig Zeit füreinander
Während früher abends Zeit für ein Glas Wein oder gemeinsame Unternehmungen war, schläft nun meistens mindestens einer von beiden schon beim Ins-Bett-Bringen des Kindes mit ein und der andere fällt kurz danach geschafft ins Bett – wahrscheinlich eher in einem getrennten Zimmer, um nicht völlig gerädert zur Arbeit zu kommen am nächsten Tag.
Gemeinsame Zeit, Gelegenheiten für Zärtlichkeiten und Intimität sind viel rarer gesät als zuvor (oder scheinen gar nicht mehr vorhanden zu sein), dazu kommen Auseinandersetzungen für beide PartnerInnen mit Rollenerwartungen, Realität und Wirklichkeit, Themen aus der eigenen Familiengeschichte, das Arrangieren mit den (Schwieger-)Eltern und vieles mehr.
Nur noch Eltern?
Bei aller Freude und Liebe, die in der neuen Situation erlebt werden: Die Tendenz, sich als Paar und sich selbst als Mann oder Frau in den ersten Jahren mit Kindern aus den Augen zu verlieren und hauptsächlich auf der Elternebene „zu funktionieren“, ist stark. Dann finden sich Paare nach Jahren „plötzlich“ in der Situation wieder, sich als Liebespaar anscheinend nichts mehr zu sagen zu haben.
Wie kann man Eltern werden und dabei ein Liebespaar bleiben?
Meine drei wichtigsten Tipps, um ein lebendiges Liebespaar zu bleiben, wenn ihr Eltern geworden seid:
1. Die klare innere Haltung, dass ihr als Paar das Fundament der Familie seid
Hier geht es um ein Bewusstsein, welches sich im Alltag auf verschiedene Weise auswirken kann. Während bei vielen Menschen die Tendenz besteht, den Fokus komplett auf die Kinder zu richten und sich selbst vor allem als Mutter oder Vater wahrzunehmen, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass ihr als Paar das Fundament der Familie seid: Ohne euch gäbe es keine Kinder und wenn es euch nicht gut geht miteinander, wird das für alle in der Familie spürbar. Euer Miteinander ist also richtig wichtig – es durchgehend hintenanzustellen, würde sich auch auf die Kinder (denen ihr ja gerade Gutes tun wollt!) gar nicht positiv auswirken.
2. „And now something completely different“
Halte mal einen Moment inne und frage dich: Was ist deiner Ansicht nach so überhaupt nicht angemessen und machbar für euch als junge Eltern? Was würdest du gerne mit deiner Partnerin oder deinem Partner tun, was sich wie das genaue Gegenteil eures Alltags anfühlt? Was verursacht schon eine leichte Aufregung im Bauch, wenn du nur daran denkst? Auf was hättest du richtig Lust? Und was würde euch gemeinsam herausfordern?
Und dann macht genau das zusammen. Das kann und darf etwas Verrücktes sein. Geht bewusst an eure Grenzen. In ganz andere Rollen als die von Vater und Mutter. Das kann für jedes Paar etwas ganz Unterschiedliches bedeuten: Eine gemeinsame sportliche Herausforderung, ein Auftritt bei einem Karaokeabend, ein sexuelles Abenteuer oder Rollenspiel, ein paar Stunden im Club tanzen… Was kribbelt bei dir?
Hierbei geht es gerade nicht um ein weiteres To-Do auf der Erwartungsliste an euch selbst. Es geht darum, Raum für unterschiedliche Facetten von euch zu haben und aus den eingefahrenen Bahnen auszusteigen. Natürlich könnt ihr so etwas mit Kindern nicht ständig machen und manche Dinge vielleicht noch nicht in den ersten Monaten nach der Geburt – es wird seltener möglich sein als früher, aber es ist möglich. Und wenn es gerade gar nicht danach aussieht: Was wäre 1% von dem, was ihr gern machen würdet? Ein crazy oder sexy Outfit für fünf Minuten für den anderen anziehen? Zehn Minuten eng umschlungen tanzen, wenn die Kleinen im Bett sind? Was kommt euch in den Sinn?
3. Das Bewusstsein, dass es nur eine Phase ist und alles seine Zeit hat
Die Zeit mit kleinen Kindern geht auch wieder vorbei. Ihr braucht nicht „überperformen“ und wöchentliche Dates und ständig leidenschaftlichen Sex von euch erwarten – neben durchwachten Nächten, kranken Kindern und Betreuungsengpässen. Das geht nicht auf. Und es ist an sich nicht schlimm. Schlimm ist, sich den Druck zu machen, alles irgendwie „schaffen zu müssen“ und zwar alles gleichzeitig.
Da ist die Erinnerung, dass auch diese Phase vorübergehen wird und wieder andere Zeiten kommen werden, häufig ein richtiger Entspannungsfaktor. Und Entspannung… ja, die könnt ihr doch gerade gut gebrauchen, oder?
Vielleicht fragst du dich jetzt, ob das nicht widersprüchlich zum zweiten Punkt ist? Ja und nein. Es geht bei diesem Bewusstsein nicht darum, sich zurückzulehnen und den anderen jahrelang nicht als Mann oder Frau wahrzunehmen mit der „Entschuldigung“, dass nach dieser Phase ja wieder eine andere kommt und das jetzt „eben so ist“. Euch immer wieder auch zu zweit „rauszureißen“ aus den Familienrollen ist wichtig. Aber es ist genau so wichtig, diesen Lebensabschnitt nicht total zu überladen und sich bewusst zu sein, dass auch diese Phase nicht ewig bleiben wird, sondern eine Momentaufnahme ist.
Und last but not least (und wie könnte ich als Paartherapeutin das nicht anführen 😉): Gerade in der Phase mit kleinen Kindern kann eine Paarberatung oder -therapie sehr stärkend sein. Da hat man nämlich die Zeit als Paar schon fest in den Terminkalender eingetragen. Und bekommt Gelegenheit, durchzuatmen, sich selbst wahrzunehmen und gegenseitig zu sehen und zu verstehen – als Mann, als Frau, als Mutter und Vater, als ganzer Mensch, mit allem was dazugehört.
Ihr wuenscht euch Unterstuetzung bei diesem oder anderen Themen